© ZüriTipp, 9.2.2006; Seite 15
Von Dominik Dusek
25 Ausgaben und eine Laufzeit von fast fünf Jahren: Das ist keine schlechte Bilanz für eine Livetalkshow, die mit ihrem Titel im Grunde nichts zu tun hat. Die «Literaturshow» des Graubündner Zürchers Gion Mathias Cavelty ist eher ein launiger Themenabend. Zwar wird im Moods jeweils einiges vorgelesen, der künstlerische Wert des Gegebenen - etwa der Einkaufsliste von Kurt Aeschbacher oder einer Pornofilmkritik des Genre-Doyens Dickson Deeper - pendelt jedoch zwischen gering und nicht vorhanden. Zwar kann der Zuschauer fast immer einiges von Experten lernen, aber meistens über Themen wie Shiatsu für Haustiere oder Kirschsteinspucken.
Bizarres Wissen wird also weitergegeben in der «Literaturshow», und auch die knalligen Titel der einzelnen Folgen halten nicht immer, was sie versprechen. Was etwa können Bauchredner Kliby und seine Eselin Caroline zu «Jack the Ripper - Take Me Tonight» beitragen? Was der Atlantis-Forscher Eberhard Zangger zu «Glanz und Elend des Country»? «Meistens hat keiner der Gäste eine Ahnung vom Motto des Abends», gibt Gion Cavelty zu. Mithin gilt: Wer die «Literaturshow» nach ihrem literarischen Gehalt beurteilt, den hat Cavelty schon auf den Holzweg geführt. Denn die Reihe lebt von etwas anderem: vom charmanten Verdröseln von Kuriositäten, bisweilen derbem Humor und einem kleinen bisschen Provokation.
In einem zweiten, lose verwandten Leben ist Cavelty durchaus Literat, sogar bei Suhrkamp, auch wenn er sich seit seinem letzten Buch «Endlich Nichtleser» vollmundig als Hasser des geschriebenen Worts inszeniert. Gegenwärtig hat er ein neues Buch in Planung, für das er über drei Jahre die eigenartigen Praktiken der okkulten Vereinigung Ordo Templi Orientis studiert hat. Allerdings kam er dabei zu überraschenden Schlüssen: «Ich habe langsam die Schnauze voll von diesen degoutanten Ritualen, von Sexual- und Spermienmagie. Also habe ich sie wieder aus dem Manuskript gestrichen. Ohnehin muss ich meinem Schwur gehorchen, nie ein Buch mit mehr als 100 Seiten zu schreiben.»
Aber zurück zur Show: Zum 25. Jubiläum steht «Im Bann des Voodoo-Zombies» an, also eigentlich nichts Besonderes. Der logischste Gast wird Afrika-Kenner David Signer sein, daneben ist der Komiker Walter Andreas Müller (WAM) geladen und eine gewisse Ida Lobsiger, die über die Kulturgeschichte des Nachttopfs Auskunft geben soll. Es wird wohl ein weiterer unüblich dreister Unterhaltungsabend werden. Und das Nebeneinander von Schrillem und obsessiv Expertenhaftem wird irgendwie auch eine Ahnung von der Fülle des Lebens vermitteln.