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© züritipp (Tages-Anzeiger); 2003-03-28; Seite 9

Gion, John, Sue & Lyle

Yippiiiiiie! Gion Caveltys Literaturshow hat für einmal ein vernünftiges Themas: "Glanz und Elend des Country".

Von Susanne Loacker

Die Amis sind im Moment nicht grad unsere dicksten Freunde. Ihr alttestamentarisches Sendungsbewusstsein, ihr schwach reflektierter Patriotismus und ihr Weltmachtgehabe können ganz schön nerven. Gleichzeitig läuft in Zürich fast zwei Monate lang ein Countryfestival, wo buchstäblich Tausende zur wohl traditionellsten amerikanischen Musik tanzen. So gespalten wie unser kriegsbedingtes Verhältnis zu Amerika ist die Country Music in sich schon, seit es sie gibt. In ihren Anfängen blut-, boden- und seligkeitsorientiert, brachte sie wenig später einen Elvis Presley hervor. In Hank Williams und Townes Van Zandt hatte sie ihre tragischen Stars, in Johnny Cash einen faszinierend labilen Helden, in Dolly Parton eine glamouröse und sexy Queen. Kurz: Glanz und Elend haben in dieser Musik schon immer nahe beieinander gelegen. Nun hat der Schriftsteller und Showmaster Gion Cavelty - der sonst eigentlich nur Metal hört - über ein Best-of-Album von Johnny Cash und da vor allem über den vom verstorbenen «Playboy»-Karikaturisten Shel Silverstein komponierten Song «A Boy Named Sue» seine Liebe zu Country entdeckt. Am Ende einer Show sang Cavelty kürzlich sogar «Ring Of Fire», und das «kam super an», wie er kommentiert.

Für sein nächstes Programm hat er nun ein viel versprechendes Trio zur Diskussion geladen: Da ist, Lady first, die Medienfrau Monika Schärer, die ein Jugendjahr in Kansas City zugebracht hat und die Musik des ebenso exaltierten wie genialen Lyle Lovett liebt. Dann ist der Atlantis-Forscher Eberhard Zangger dabei, der zwar vier Jahre in Amerika gelebt hat, Country dort aber nie länger als fünf Minuten am Stück ertrug. Als dritter und sicher sachkundigster Teilnehmer vervollständigt John Brack, Schweizer Countrysänger der ersten Stunde, die Runde. Was Brack für die Akzeptanz dieser Musik in Europa getan hat, ist nie ins breitere öffentliche Bewusstsein gedrungen. Er hat vor, wieder einmal kleine, aber wichtige Korrekturen am problematischen Image der amerikanischen Traditionsmusik und ihrer modernen Spielarten vorzunehmen. Bush werden wir vermutlich nach diesem Abend noch immer nicht verstehen. Hank Williams und Johnny Cash vielleicht umso mehr.