© Tages-Anzeiger; 08.04.2004; Seite 23
Von Florian Keller
Also sprach Cavelty: «An meine Bücher erinnert sich nicht einmal mehr die jüngere Generation.» Das ist vielleicht reines Wunschdenken, auf alle Fälle aber ein denkwürdiger Satz von einem, der letzten Sonntag eben erst dreissig geworden ist. Zur Information für unsere jüngeren Leser: Gion Mathias Cavelty, das war einmal ein rätischer Jungschriftsteller, der mit schmalen Bändchen wie «Quifezit» der deutschen Literatur den Humor wieder hätte beibringen sollen. Er war der Chouchou des Verlegers Siegfried Unseld, Gott hab ihn selig, aber seit einiger Zeit setzt Cavelty nun alles daran, seine literarische Vergangenheit vergessen zu machen, und in seiner Literaturshow im Moods gelingt ihm das enorm gut. Literatur findet hier nur in ihrer totalen Verkümmerung statt, die Show ist eine reine Informationsmüllschleuder, und als solche war sie schon Kult, bevor das Wort alles bedeutete und somit nichts mehr.
Da sitzt Cavelty also vor einer Dose Red Bull, musikalisch begleitet von den stoischen Schwermetallern der Litterband, rhetorisch wie immer sekundiert von der sprechenden Topfpflanze namens Marvin. «Aida, Tochter des Pharaos» hiess das Thema am letzten Dienstag, aber das war wieder nur der hochkulturelle Paravent für eine abendfüllende Enzyklopädie des Unfugs, mit Marvin als fachlicher Instanz für völkerkundliche Skurrilitäten. Für den vordergründigen Lerneffekt ist der Asienwissenschaftler Damian Christinger zu Gast, und der weiss allerhand unwissenswert Wissenswertes zu berichten. Zum Beispiel, dass japanische Schimpfwörter allesamt auf Agrarprodukte verweisen oder dass der gemeine Japaner viel lacht, aber nie bei Pointen.
Für den vordergründigen Lacheffekt ist Verena Schläfli gebucht, ehemalige Vizedirektorin der UBS, die auf Shiatsu für Haustiere umgesattelt hat, als einer ihrer Hunde an chronischer Blasenentzündung erkrankte. Tapfer lacht sie mit.
Jakobinischer Schreckensherrscher
Aber eigentlich ist das ganze Palaver ja nur eine Vorbereitung auf das Kräftemessen mit einem Gast, den Cavelty als «jakobinischen Schreckensherrscher» des Schweizer Humorschaffens ankündigt. Dann kommt er, der Viktor Giacobbo, und lange Zeit hockt er nur da und sagt gar nichts, darf sich dafür die Füsse küssen lassen von zwei Fans aus dem Publikum. Cavelty stellt dann doch noch ein paar Fragen, und der Infotainmentfaktor fällt jetzt markant ab, wie das halt so passiert, wenn die Prominenz von der Halbprominenz befragt wird.
Eigentlich habe er in der Show den Rollstuhl von Sheikh Yassin versteigern wollen, hat Cavelty zum Auftakt verkündet, aber das habe leider nicht geklappt. Seine Show ist dennoch nicht zu unterschätzen. Wo sonst zeigt sich, dass ein Japanologe unter Umständen der bessere Entertainer ist als der Nationalsatiriker?