© St. Galler Tagblatt, 23. August 2003
Appenzell. Im Kronengarten empfing Gion Mathias Cavelty Gäste aus Innerrhoden und der weiten Welt, um sie gegeneinander antreten zu lassen. Im Wettstreit ging es weniger um Literarisches, eher um die Summe der Pointen.
von Monica Dörig
Die Verantwortlichen des Jubiläumsprogramms zum 50. Geburtstag der Raiffeisenbank Appenzell hatten im Konzept Vielfältigkeit und Überraschendes versprochen. Nach einem eher volkstümlichen Mittwochabend mit dem Engel-Chörli ging am Donnerstag schräger Klamauk-Import über die Holzbühne - das Versprechen wurde eingelöst.
Literatur ist überall
Gion Mathias Cavelty, hoch gelobter Jungautor mit Bündner Wurzeln, fungierte als Moderator einer Gesprächsrunde, die mit Augenzwinkern auf ähnliche Literaturshows im Fernsehen schielt. Literatur findet sich seiner Ansicht nach in jedem geschriebenen Werk, wenn nicht offensichtlich, so doch ansatzweise. Dies zu beweisen waren die Gäste Sebastian Fässler, Jolanda Brülisauer und HG Hildebrandt aufgefordert, jeweils Seite 17 ihres letzten literarischen Werks vorzulesen. So bekam das Publikum Einblick in ein Buch des Bergsteigers Luis Trenker, in eine Arbeit aus der Lehrzeit der jungen Kundenberaterin mit dem sinnigen Titel «Alkohol sucht» und in einen Abschnitt ihres Reisetagebuchs. Hildebrandt las aus einem Trend-Magazin einen Exkurs über die «Schürzenjäger».
Uriella hebt die Stimmung
Thema des Abends war eigentlich «Die Geiss in der Literatur des 20. Jahrhunderts». Die Geiss als Überraschung gedacht, aber zu früh ausgeplaudert, liess allerdings auf sich warten. Auch der Bezug zum Thema ging zeitweilig im Klamauk unter und Literatur im eigentlichen Sinn bot nur die sprachbegabte Topfpflanze Marvin, alias Thomas Widmer, mit einem Goethe-Zitat und ihren geschliffenen Kommentaren. Mit ihrem Ausserhoder Dialekt hatte sie die Sympathien des Publikums schnell gewonnen.
Die Talkrunde auf dem roten Sofa zu Anfang war nett, Spezialgast Harry Potter überzeugte nicht wirklich und so dauerte es seine Zeit, bis der Funke zum Publikum übersprang.
Als Uriella die Bühne eroberte, erhielt die Unterhaltung durch ihr frischforsches Geplauder Pfiff. Jetzt genoss das Publikum offensichtlich die absurden Wortspielereien.
Waschmaschine und Chlupperli
Moderator Cavelty führte die Gäste manches Mal auf glattes Parkett. Mit seinem Talent, im richtigen Moment den Satz unvollendet im Raum stehen zu lassen, erzielte er einige Lacher, und mit seiner geschickten Fragestellung verleitete er seine Gäste zu manch unfreiwilligen Pointen. In der Geschäftsstelle Teufen würden die Banknötli mit Waschmaschine und «Chlupperli« wieder salonfähig gemacht, «Wie das in der Bank halt so geht», gab die Bankangestellte unbeschwert preis.
Der Zusammenstoss der Kulturen ging über die Bühne mit einem plakativ agierenden Zürcher Schicki-Micki-Typen und dem Prachtappenzeller Sebastian Fässler. Talerschwingen, «Hoselopf» mit dem Schwingerkönig Thomas Sutter oder Melken der Geiss Bethli, ganz klar dass der Auswärtige keine Chance hatte gegen die Eingeborenen.
Literatur-Zirkus
Die kraftvollen Heavy-Metal-Einlagen der Litterband erzeugten einen willkommenen Kontrast zum ironischen Wortgeplänkel. Dank der ulkigen Ideen und Einsprengsel im Show-Konzept wurde das zahlreiche Publikum recht gut unterhalten, auch wenn bei manchem die Erwartungen in Anbetracht des Begriffs «Literatur» in eine andere Richtung gegangen sein mögen.
Gion Mathias Cavelty will den Literaturzirkus nicht mitmachen und nimmt ihn auf die Schippe, in dem er selbst ein bisschen Zirkus macht. Er und seine Protagonisten der Literaturshow hatten ganz offensichtlich viel Spass auf der Bühne.